Warum eine gute Low-Code Lösung Citizen UND Pro Developer einbeziehen muss und wie das aussehen kann

Von Kerstin Stier

28. Jan 2023

Ich habe vor kurzem mit Jens Stier, meinem Mitgründer und Co-Geschäftsführer bei engomo, ein interessantes Gespräch geführt – Es ging um die Frage, ob eine Low Code-Plattform wirklich funktionieren kann, wenn sie sich ausschließlich auf Citizen Developer fokussiert, also Anwender aus dem Business mit wenig bis gar keinen IT-Kenntnissen. Wir kamen zu dem Schluss: Nein, das wird auf Dauer, zumindest in Szenarien, in denen es um „ernsthafte“, komplexe Geschäftsprozesse geht, nicht funktionieren. Warum, das möchte ich hier zusammenfassend ausführen.

undraw_code_inspection_bdl7Im Zusammenhang mit No-Code und Low-Code steht häufig das Argument im Vordergrund, dass sogenannte Citizen Developer, also App-Ersteller mit fachlichem Hintergrund ohne tiefere IT-Kenntnisse, ihre Business-Anwendungen besonders einfach und schnell selbst realisieren können. Häufig wird es als Nachteil gesehen, wenn es Pro-Developer, also IT-Fachkräfte braucht, um Low Code-Apps zu bauen. Ich bin der Meinung, dass diese Sichtweise ein paar wichtige Aspekte außer Acht lässt.

Wieso IT-Lösungen ohne interne IT implementieren?

Machen wir einen Blick zurück: Bereits vor über 20 Jahren, mit dem Aufkommen rein Cloud-basierter Unternehmenssoftware wie beispielsweise Salesforce, war immer wieder das Argument zu hören, dass der große Vorteil solcher Software darin läge, dass man sie in der Cloud und vollkommen ohne Involvierung der internen IT-Abteilung nutzen könne. Schnell und einfach, ohne lange interne Projekte und Diskussionen. Nun war es vor einigen Jahren tatsächlich teilweise noch so, dass IT-Abteilungen die Pains der Fachbereiche nur schwer verstanden und in Projekten weniger als Enabler, stattdessen jedoch ab und an als echte Bremser auftraten. Es kamen unter Beteiligung der IT-Abteilung nicht selten fachliche Lösungen zustande, die am Need des Business vorbeigingen. Das Bestreben, mit Low-Code neue Möglichkeiten zu schaffen, „an der IT vorbei“ schnelle fachliche Lösungen zu realisieren, ist also definitiv nachvollziehbar.

Wer aber als Low-Code oder No-Code Anbieter heute noch so argumentiert, lässt aus meiner Sicht einige wichtige Aspekte außer Acht. Meine These lautet: Eine gute Low Code-Plattform muss beide Seiten einbeziehen, Citizen Developer aus den Fachbereichen ebenso wie Pro Developer aus der IT.

Warum? Diese Gründe sprechen dafür:

1. Komplexe Prozesse erfordern die Fähigkeit, diese in Software zu übersetzen

Wir sprechen hier über komplexe, integrierte Geschäftsprozesse. Die Experten dazu sind mit Sicherheit in den Fachbereichen angesiedelt, wo sie die Abläufe im Tagesgeschäft tausendfach ausführen und leben. Doch es besteht ein Unterschied dazwischen, Prozesse zu definieren und auszuführen und sie in eine funktionierende Anwendung zu überführen. Hier können besonders Experten mit IT-Hintergrund unterstützen, was Aufbau, Logiken und Datenmodelle angeht. In einem Low Code-Kontext also ausschließlich auf das Prozesswissen der Citizen Developer zurückzugreifen, lässt wichtiges Potenzial, das die Experten aus der IT einbringen können, außer Acht.

2. Nur integrierte Anwendungen sind auf Dauer tragfähig

Besonders fatal wird es in Low Code-Szenarien, wenn Fachabteilungen ohne die Beteiligung der IT neue Lösungen schaffen, die nicht in die vorhandene Systemlandschaft eingebunden sind. Auf Dauer entsteht die berüchtigte „Schatten-IT“, welche Datensilo um Datensilo erschafft und ein nicht mehr überschaubares Chaos erzeugt. Auswertungen und Datenanalysen werden ein Ding der Unmöglichkeit. Nicht umsonst gibt es ja die interne IT, die sich darum kümmert, eine integrierte Systemlandschaft entlang der Wertschöpfungskette zu schaffen.

3. Die IT-Abteilungen haben sich verändert und verstehen sich heute mehr denn je als Dienstleister für die Fachbereiche

Wer sich heutige interne IT-Abteilungen einmal ansieht, wird feststellen: Die Zeit der unverständigen Elfenbeintürme, die sich nicht um Business-Needs kümmern, ist vorbei. Moderne IT-Abteilungen sehen sich als Dienstleister für den Fachbereich, bemühen sich um Lösungen, die nicht nur aus technischer Sicht zum Unternehmen passen, sondern welche die Anwender begeistern und echten Mehrwert schaffen. Warum also deren Expertise nicht für integrierte Anwendungen nutzen?

Wie kann es also aussehen, wenn bei der Erstellung von Low Code-Anwendungen beide Seiten einbezogen werden?

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Den größten Mehrwert erzielen Low Code-Plattformen, wenn sie in der Lage sind, das Zusammenspiel von IT und Business optimal zu unterstützen.

Am Beispiel von engomo sieht das so aus:

  • Fachbereiche und IT arbeiten gemeinsam an einem Blueprint für den abzudeckenden Prozess:
    Mithilfe der Möglichkeit, den Low-Code Editor kollaborativ zu nutzen, können Mitarbeiter aus Fachbereich und IT gemeinsam den Prozess, wie er in der Anwendung ablaufen soll, definieren. Der Drag&Drop-Editor ermöglicht es dem Business, die Anwendung selbst zu designen und gemeinsam mit der IT quasi am „lebenden Objekt“ zu optimieren, ohne dass es dafür unzähliger Konzept-Workshops oder zahlreicher Schleifen bei der Prozess- und Anforderungsdokumentation bedarf.

  • IT unterstützt bei der Verwendung und Modellierung von Datenstrukturen:
    Im Rahmen dieses Prozesses ist es den Profis aus der IT möglich, unmittelbar auch die Datenstrukturen aus der vorhandenen Systemlandschaft einzubeziehen, in denen sie wiederum die Experten sind. So ist sichergestellt, dass neue Anwendungen in die vorhandene IT-Struktur integrierbar sind und nicht als Dateninseln in der Organisation schwimmen.

  • Nahtlose Integration durch Anbindung an vorhandene Systeme:
    Sind Oberflächen und Prozessablauf in der Anwendung definiert, kann die Unternehmens-IT im nächsten Schritt die Anbindung an vorhandene Datenbanken und Systeme vornehmen. Damit schafft sie für das Business den immensen Vorteil, dass im Prozess stets mit aktuellen Daten aus dem Backend gearbeitet wird und Änderungen in Echtzeit ins Backend zurückgehen.

  • Kurze und direkte Reviewschleifen und Feedbackzyklen:
    Danach geht es ans Testen – Die Experten und Anwender aus den Fachbereichen können eine Anwendung auf Basis von engomo ohne Code Compiling oder komplizierten Rollout testen und Änderungswünsche wiederum direkt im App-Editor selbst vornehmen. Mithilfe des kollaborativen Editing ist die IT direkt mit im Boot, sodass eine echte Zusammenarbeit anstelle des sonst nicht seltenen Change Request-Pingpongs entstehen kann. Alle Beteiligten kommen so schneller zum Ziel, können ihre Anforderungen direkt abstimmen und optimal umsetzen.

Für „kleine“ Randprozesse mag es punktuell sinnvoll sein, ihre Umsetzung mit Low-Code direkt den Citizen Developern zu überlassen. Bei der Optimierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen wird es aus meiner Sicht jedoch auch in Zukunft essenziell sein, dass Fachbereiche und IT an einem Strang ziehen. Für den Erfolg von Low-Code ist es deshalb entscheidend, dass die Technologie die Zusammenarbeit beider Seiten bestmöglich unterstützt, sodass beide ihre jeweilige Expertise zugunsten anwenderfreundlicher und passgenauer Lösungen einbringen.