No-Code oder Low-Code?
Von Chiara Schultheiß
17. Jan 2023
Eine Übersicht für die optimale Technologieauswahl
Low-Code und No-Code Plattformen sind bereits in vielen Unternehmen im Einsatz. Betrachtet man die Ergebnisse aktueller Studien und Prognosen der großen Analystenhäuser, deutet alles darauf hin, dass dieser Trend auch in Zukunft weiter zunehmen wird. Grund hierfür: Die Technologien versprechen eine schnelle und kostengünstige Anwendungsbereitstellung, die Unternehmen beim Vorantreiben der digitalen Transformation unterstützen.
Für die optimale Zielgruppenansprache positionieren viele Plattformanbieter Ihre Lösung klar als No-Code oder Low-Code Plattform. Doch wie sind diese Begriffe zu verstehen? Was steckt hinter den Technologien und welche Plattform passt zu welchem Anwendungsfall?
Um Antworten auf diese Fragen und eine Unterstützung bei der Technologieauswahl zu liefern, bietet die folgende Übersicht eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte.
Bei Low-Code und No-Code handelt es sich um Entwicklungsumgebungen für Software, die eine Alternative zu der klassischen Programmierung bieten. Beide verfolgen den Ansatz, Anwendungen über eine grafische Benutzeroberfläche zu erstellen. Dabei werden einzelne Funktionsbausteine per Drag&Drop in das User Interface gebracht und über diesen Weg die Applikationen in ihren Funktionalitäten und ihrem Aussehen definiert. Diese Methode der Anwendungserstellung verspricht auch IT-fremden Personen im Unternehmen mit wenig oder keinen Programmierkenntnissen bedarfsgerechte Lösungen auf schnellem Wege umzusetzen. So sollen Ressourcen in der IT geschont, die Entwicklungskosten gesenkt und die App-Entwicklung beschleunigt werden.
Doch neben den Gemeinsamkeiten unterscheiden sich die Technologien in einigen Punkten voneinander, was bei der Tool-Auswahl berücksichtigt werden sollte.
No-Code: Ohne Code zur fertigen Anwendung?
Wie der Name schon andeutet, bieten No-Code Plattformen eine Entwicklungsumgebung an, in welcher Anwendungen ohne manuelle Programmierung von Code erstellt werden können. Zur Erstellung greifen Entwickler auf die in der Plattform bereits fertig enthaltenen Funktionsbausteine zu und bringen diese per Drag&Drop an die gewünschte Stelle in der Oberfläche.
What-You-See-Is-What-You-Get (WYSIWYG): Diese Bezeichnung der Editoren beschreibt im Ganzen das Prinzip hinter No-Code. Dies ermöglicht sowohl Entwicklern mit Programmierkenntnissen als auch IT-fremden Personen aus Fachabteilungen Anwendungen zu erstellen. Denn statt manuell geschriebenen Code konfigurieren sie auf visuellem, intuitivem Wege Software-Lösungen mit bereits codierten Bausteinen – und das bei einer deutlich reduzierten Realisierungszeit.
Die Vorteile von No-Code lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Benutzerfreundliche Entwicklungsumgebung
- Schnelle Umsetzung
- Kostengünstige Anwendungserstellung, die Ressourcen in der IT schont
Doch neben den Vorteilen bringen No-Code Plattformen auch Limitationen mit sich. So ist die Umsetzung komplexer Anwendungen mit No-Code nicht immer im vollen Umfang möglich. Wie hoch der Komplexitätsgrad sein darf, unterscheidet sich je nach gewählter Plattform. Nichtsdestotrotz sind die Anwender bei der Konfiguration auf die von der Plattform bereitgestellten Funktionsbausteine begrenzt. Durch den Anwendungsfall bedingte spezielle Anforderungen lassen sich mit No-Code Plattformen nur schwer bis gar nicht umsetzen. Die fehlende Möglichkeit der Programmierung wird in solchen Szenarien zum schwerwiegenden Nachteil, wenn nicht sogar zum Ausschlusskriterium. Denn bei der Technologieauswahl sollte sichergestellt werden, dass zum einen der vorliegende Anwendungsfall vollumfänglich in seinen individuellen Anforderungen abbildbar ist und gleichzeitig die spätere Anwendung auch langfristig einsetzbar ist.
Folglich bieten sich Apps auf No-Code Basis vor allem für die Abbildung von weniger komplexen Anwendungsfällen und Aufgaben an – wie beispielsweise benutzerfreundliche Eingabemasken für die erleichterte Datenübertragung in komplexe Excel-Sheets – bei welchen auch langfristig ein lediglich minimaler Anpassungsbedarf zu erwarten ist.
Die Nachteile von No-Code auf einen Blick:
- Einschränkte Abbildung komplexer Anforderungen und Individualisierungsmöglichkeiten
- Begrenzte Auswahl an Funktionsbausteinen
- Risiko langfristig auf das falsche Pferd zu setzen
Ja, mit No-Code können Anwendungen ohne Programmierung auf kostengünstige und intuitive Weise umgesetzt werden. Dennoch birgt die Eigenschaft „Ohne Code“ Limitationen hinsichtlich der Flexibilität bei der optimalen und vollumfänglichen Abbildung individueller Prozesse. Diese Einschränkungen sind vor dem Hintergrund des vorliegenden Anwendungsfalls und bei der Plattformauswahl genaustens abzuwägen.
Anwendungsentwicklung ohne Kompromisse: Die Low-Code Technologie
Mit sogenannten Low-Code Plattformen lassen sich Applikationen für Desktop und mobile Endgeräte sowie Web-Apps für die Nutzung im Browser umsetzen und bieten eine agile Alternative zur Individualprogrammierung. Low-Code Plattformen ergänzen dabei den No-Code-Ansatz – die Oberflächendefinition nach dem Prinzip WYSIWYG – mit Code: Neben der Verwendung bereits verfügbarer Funktionsbausteine können ergänzend individuelle, komplexe Anforderungen durch Einsatz von Code umgesetzt werden. Zusätzlich lassen sich die Bibliotheken durch den Einsatz von Programmierung um Bausteine erweitern und eine eigene Code-Basis kann geschaffen werden. Während bei No-Code die Vollständigkeit hinsichtlich der Funktionen sowie Individualisierbarkeit nicht immer gewährleistet ist, kann diese mit Low-Code hergestellt werden.
Im Gegensatz zu No-Code fordert Low-Code von den Anwendern an einigen Stellen Programmierkenntnisse, wodurch die Plattformen nicht mehr ausschließlich für Endnutzer geeignet ist. Vielmehr ermöglichen Low-Code Plattformen die ergänzende Anwendungsentwicklung durch Fachabteilungen in Zusammenarbeit mit der IT, um Code-kritische Anforderungen umzusetzen. Dabei werden professionelle Entwickler durch Low-Code unterstützt, indem Teile in der Entwicklung automatisiert erfolgen und im Vergleich zur klassischen Programmierung die Anwendungsbereitstellung in deutlich kürzerer Zeit erfolgen kann.
Unternehmensprozesse sind oftmals komplex und so sind auch die Anforderungen an eine zukünftige Lösung, die diese Prozesse optimal abbilden soll. Hierzu gehört folglich nicht nur die Abbildung einzelner Prozessschritte, sondern auch die Integration der Anwendung in die bestehende Systemlandschaft, um für die Aufgabenerledigung auf alle notwendigen Daten und Informationen zugreifen zu können. Low-Code ermöglicht auch Prozesse mit hohem Individualisierungsgrad abzubilden und dabei bestehende Backend-Systeme über Schnittstellen oder Plug-Ins anzubinden.
Low-Code bringt damit folgende Vorteile mit sich:
- Schnelle, agile und kostengünstige Anwendungsentwicklung
- Abbildung komplexer Anwendungsfälle – auch mit hohem Individualisierungsgrad
- Erweiterbare Bibliotheken
- Auslagerung einzelner Teile der Entwicklung auf Fachabteilung entlastet die IT
Doch auch Low-Code ist nicht frei von Limitationen. Je nach Anwendungsfall, können auch Personen aus Fachabteilungen, die keinerlei Programmierkenntnisse vorweisen, kleine, einfache Anwendungen umsetzen. Sobald es jedoch darum geht, die Anwendungen in die bestehende IT zu integrieren oder hochkomplexe, individuelle Anforderungen umzusetzen, ist IT-Know-How gefordert – wenn auch nur in geringem Maße. Somit müssen Unternehmen eigene Ressourcen bei der Anwendungsentwicklung mit einplanen oder auf externe Dienstleister setzen. Auch bringen die Plattformen Vorgaben für die Konfiguration vor, wodurch sich die Entwicklung im Gegensatz zur manuellen Programmierung nicht ganz so frei gestaltet.
Diese Nachteile müssen bei der Wahl von Low-Code berücksichtigt werden:
- Programmierkenntnisse erforderlich bei der Abbildung komplexer Anwendungsfälle
- Entwickler sind in Ihrer Vorgehensweise auf das Framework der Plattform beschränkt
Best of both Worlds
No-Code- und Low-Code-Technologien bieten eine echte Alternative zur manuellen Programmierung und Standardsoftware. Im Hinblick auf den vorherrschenden Fachkräftemangel, die voranschreitende Digitalisierung und der damit einhergehende Bedarf an Softwareentwicklung ermöglichen die Plattformen eine schnelle und agile Anwendungsentwicklung, die gleichzeitig Ressourcen in der IT schont und Kosten spart.
Welche Technologie schlussendlich gewählt wird, hängt von der Aufgabenstellung ab. Während No-Code Plattformen die Umsetzung einfacher Anwendungen ohne Programmierung durch die Fachabteilung ermöglichen – und somit die IT vollumfänglich entlasten – können mit Low-Code zusätzlich auch komplexe, nahtlos in die Systemlandschaft integrierte Anwendungen umgesetzt werden. Somit profitieren Nutzer von Low-Code Plattformen von den Vorteilen von No-Code und haben ergänzend die Möglichkeit mit Code zu arbeiten.
Anstatt sich nur für eine Plattform zu entscheiden, setzen viele Unternehmen auf verschiedene Plattformen, um möglichst viele Anwendungsfälle abzudecken. Dass die Multiplattformstrategie bereits in viele Unternehmen eingezogen ist, zeigt die aktuelle Studie zu „No Code/Low Code“, durchgeführt von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE mit weiteren Partnern. Auch hier sind bei der Auswahl vom Unternehmen Kriterien zu definieren und abzuwägen.
Ein weiteres Ergebnis der Studie deutet darauf hin, dass der Trend zur zunehmenden Nutzung dieser Plattformen auch in den kommenden Jahren bestehen bleibt.1
1Quelle: Schaffry, Andreas (2022): Studie No-Code/Low-Code 2022. Licht und Schatten; https://www.computerwoche.de/a/licht-und-schatten,3553554 (abgerufen an: 17.01.2023)